„Segen für Homosexuelle sorgt für Dampf im Kessel“
21.07.2021 - Kategorie: Archiv 2019/20
Vorbereitung auf den Pride-Day am EMWG
In Vorbereitung auf den am Montag, 26.07. stattfindenden Pride-Day an unserer Schule beschäftigten sich Schülerinnen der Q11 im Religionsunterricht mit den Positionen der katholischen Kirche zur Frage nach einer Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.
Die Schülerinnen bezogen zunächst Stellung zu folgenden Äußerungen – anbei einige Antworten:
„Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.“ (Art 6 GG)
• Familie fördert Zusammenhalt und seelische Gesundheit.
• Familie ist ein wichtiger und besonderer Ort, um sich zu entwickeln.
• Vor allem die Kinder müssen im Rahmen der Familie geschützt werden.
• Angesichts pluraler Lebensformen soll dieser Schutz allen Familienformen zukommen.
„Die Familie ist die Urzelle des gesellschaftlichen Lebens.“ (KKK, 2207)
• Familie ist eine Gemeinschaft und prägt Gesellschaft.
• Familie entspricht der Natur des Menschen und garantiert durch Fortpflanzung den Fortbestand einer Gesellschaft.
• Menschen sind aufeinander angewiesen – durch Familien ist die gegenseitige Fürsorge gewährleistet.
• Auf biologischer Ebene, ja, der Familien-Begriff ist aber nicht ausschlaggebend für eine Gesellschaft.
Im Folgenden wurde der Artikel „Segen für Homosexuelle sorgt für Dampf im Kessel“ (Deutschlandfunk Kultur, 10.05.2021, online) reflektiert. Katholische Priester segneten in den vergangenen Wochen überall in Deutschland gleichgeschlechtliche Paare und verstießen damit bewusst „gegen klare Vorgaben aus Rom“. Thomas Schüller, Kirchenrechtler an der Universität Münster, sieht darin „einen Konflikt zwischen (der) Basis und der Kirchenspitze. In Westeuropa gebe es unter Katholiken eine ganz klare Mehrheit dafür, auch gleichgeschlechtliche Paare zu segnen. … In anderen Gegenden der Welt (gebe) es keine Mehrheiten für solche Segnungen … – und der Papst müsse die Kirche zusammenhalten.“
Ähnlich formulierte auch Kardinal Reinhard Marx: „Die einen sagen, der geht zu weit, die anderen sagen, der geht nicht weit genug.“ Er verwies darauf, „dass Homosexuelle in der Kirche willkommen seien.“ Andererseits betonte er: „Eine Eheschließung sei nicht möglich. Das Sakrament der Ehe ist auf die treue Beziehung zwischen Mann und Frau ausgerichtet, die offen ist für Kinder.“ Stattdessen würde diskutiert, dass gleichgeschlechtliche Paare eine „Segnung im Sinne einer seelsorglichen Begleitung“ bekommen könnten, die aber „keine eheähnliche Beziehung darstelle“, so Marx.
Die katholische Kirche bewegt sich damit zwischen dem Anliegen, Menschen mit homosexuellen Tendenzen „mit Achtung, Mitgefühl und Takt zu begegnen. Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen. Auch diese Menschen sind berufen, in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen.“ (KKK, 2358), und dem Verständnis, dass homosexuelle Handlungen „in keinem Fall zu billigen“ seien, da bei diesen „das natürliche Gesetz … der Weitergabe des Lebens … ausgeschlossen“ bleibe. (KKK, 2357)
Auch hierzu wurden Stellungnahmen der Schülerinnen gesammelt:
• Wenn sie nicht zu billigen sind, warum hätte Gott sie dann erschaffen? Und wieso hätte Jesus gesagt, man soll alle Menschen respektieren?
• Die Würde des Menschen als Abbild Gottes gilt uneingeschränkt.
• Es gibt mehr Möglichkeiten, sich partnerschaftlich zu vollenden, als durch sexuelle Fortpflanzung.
• Gleichgeschlechtliche Paare können Kinder adoptieren und leisten damit einen wichtigen Beitrag in der Gesellschaft.
Besorgt diskutiert wurde vom Religionskurs die Gefahr einer möglichen Kirchenspaltung angesichts konträrer Haltungen zu dieser Frage außerhalb Westeuropas. Eine regional unterschiedliche Lösung wurde nicht bejaht.
Abschließend diskutiert wurde die Haltung Papst Franziskus’, der grundsätzlich an den gegebenen Normen festhält, aber auch darauf verweist, man dürfe diese nicht anwenden, „als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft“. (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Amoris Laetitia, 305)
Im oben genannten Artikel positioniert sich Thomas Schüller, „die katholische Kirche schleppe eine Sexualmoral mit sich herum, die naturrechtlich fixiert sei“, und er schließt, „derzeit sei bei der katholischen Kirche Dampf im Kessel: Wer am Ende gewinnt, werden wir sehen.“
Zu wünschen wäre wohl ein fruchtbarer Dialog, bei dem niemand als Verlierer zurückbleibt.
Christian Dicknether
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